Vom 03. Juni bis 03. Juli 2014 nahmen insgesamt 107 Probanden an der Umfrage zur Emotionserkennung teil. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal herzlich bei allen Teilnehmern bedanken!
Empathische Führung – Auswertung der Umfrage zur Emotionserkennung
Vorbemerkungen:
Emotionale Intelligenz nimmt einen zunehmend stärkeren Stellungswert in der Berufswelt ein. Assessment-Center testen neben intellektuellen Fähigkeiten auch die Ausprägung sozialer Kompetenzen ihrer Bewerber, denn die Fähigkeit zum guten Umgang mit den Mitmenschen fördert Motivation und Zusammenhalt in Teams. Grundlage dafür ist das feine Gespür für die Wünsche, Bedürfnisse und Emotionen anderer. Diese Kernkompetenz sozial anerkannter Führungskräfte wird unter dem Oberbegriff der Empathie zusammengefasst und nimmt eine gewichtige Position ein. Denn verletzte Gefühle und fehlende Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeiter kann je nach Ausmaß zum „Dienst nach Vorschrift“, Demotivation oder innerer Kündigung führen. Ziel dieser Umfrage war es, Hilfestellungen zum empathischen Umgang mit den Mitarbeitern und -menschen geben zu können.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist der theoretische Ansatz, dass unterschiedliche Intensitäten einer Emotion unterschiedliche Reaktionen erfordern, um bestmöglich wertschätzend auf die Gefühle der Mitmenschen eingehen zu können, denn für das empathische Verständnis des Gegenübers reicht es nicht allein aus, den Gefühlszustand erkennen zu können.
Mindestens genauso wichtig erscheint es mir, dass man die Intensität der erlebten Emotion präzise zuordnen kann. Beispielsweise wäre es a.h.S. nicht zielführend, jemanden der panisch auf eine Person/Situation/Objekt reagiert, mit den Worten, dass er/sie soeben „wohl besorgt sei“, zu begegnen. Das führt im schlechtesten Fall zum selben Unverständnis des Betroffenen, als ob die Interpretation des emotionalen Zustands durch den Betrachter vollends verwechselt wurde.
Quantitative Zielstellung der Umfrage war, dass Erkennungsmerkmale von Emotionen validiert werden und darüber hinaus zu erfassen, wie intensiv verschiedene Ausdrucksformen eines Gefühlszustandes beim Betrachter wahrgenommen werden. Dazu wurden die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Emotionsforschung herangezogen, um universelle Gesichtsausdrücke darzustellen. Ausgehend von der Hypothese, dass mit zunehmender Intensität einer Emotion, die Anzahl an und Kontraktion von den beteiligten Gesichtsmuskeln zunimmt, wurden nach dem von P. Ekman und W. Friesen entwickelten Facial Action Coding System verschiedene Emotionsausdrücke codiert.
Dadurch konnte mit Hilfe der Testergebnisse von 107 Probanden eine Reihung der wahrgenommenen Emotionsintensität der sieben universellen Basisemotionen Angst, Überraschung, Ärger, Ekel, Trauer, Freude und Verachtung erstellt werden. Es handelt sich jeweils um Emotionsfamilien. So zum Beispiel reichen die Gefühlsbeschreibungen der „Überraschung“ von „verblüfft“ über „erstaunt“ bis „perplex“. Mit Hilfe der Reihung dargestellter Emotionsintensitäten im Gesicht lässt sich nunmehr besser erkennen, an welchem Pol einer Emotionsfamilie verschiedene Gesichtsausdrücke allgemein verortet werden. Damit bekommen wir einen besseren Eindruck davon, welches emotionale Erleben erfahren wird, was Ihnen spezielle Vorteile bietet: Sie werden besser in der Lage sein, die Gefühlswelt des Mitarbeiters zu verstehen und können präzise den emotionalen Zustand verbal rückkoppeln. Dies ist der Schlüssel zum Erfolg empathischer Führung.
Eine abschließende Bemerkung: Die Umfrage hatte nicht den Anspruch sich an den wissenschaftlichen Gütekriterien der Validität, Reliabilität und Objektivität zu messen. Vielmehr soll sie eine erste Hilfestellung sein, um die wahrgenommene Intensität von Emotionen besser kategorisieren zu können und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie auf unterschiedlich starke emotionale Ausprägungen bestmöglich wertschätzend reagiert werden kann.
Emotionen lesen lernen – Empathie als Erfolgsfaktor!
Herzlich
Robert Körner
Auszüge der Ergebnisse
Auswertung & Erkenntnisse zur Basisemotion Angst
- Im Vergleich zu den meisten anderen Basisemotionen werden Angstausdrücke auch bei wenigen Darstellungsmerkmalen intensiver beurteilt,
- Insgesamt wurden durchschnittlich 65,99% der acht Ausdrücke als Angst identifiziert; vorrangig teilen sich die Basisemotionen Ekel, Überraschung und Ärger die restlichen Prozentpunkte,
- Die Mundpartie hat einen starken Einflussfaktor auf die Wahrnehmung des Intensitätsgrades der Emotion,
- Wenn die Mundwinkel seitlich auseinander gezogen (AU 20), die Oberlider gehoben (AU 5) und/oder die unteren Lider angespannt (AU 7) sind, dann wird das Gefühl insgesamt stärker wahrgenommen,
- Insofern lediglich die prototypische Bewegung an der Mundpartie (AU 20) auftritt, besteht eine Verwechslungsgefahr. 32,89% der Probanden haben dieses mimische Signal als Ekel definiert, anstelle von 57,89%, die Angst wahrnehmen,
- Das Zusammenziehen und Anheben der Augenbrauen (AU’s 1+2+4)- was als zuverlässiges Zeichen für die Angst gilt – hat keinen entscheidenden Einfluss als einzeln stehendes Merkmal auf die Wahrnehmung der Intensität, erst in der Kombination mit der Mundbewegung,
- Der prototypische und universelle Ausdruck von Angst (AU’s 1+2+4+5+7+20) hat den stärksten Intensitätsfaktor,
- Anstoß für zukünftige Forschungen: Vergleichende Studien haben gezeigt, dass Menschen, die in westlichen Ländern aufgewachsen sind, stärker auf die Mundpartie achten als beispielsweise Asiaten. Für letztere ist die Augenpartie zur Interpretation emotionaler Zustände entscheidender. Dieser Umstand wird teilweise als Begründung dafür angeführt, warum das Lesen von Emotionen zwischen unterschiedlichen Kulturen stellenweise hakt – der Beobachtungsfokus ist unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund ist auch der große Einfluss der Mundbewegung (AU 20) bei der Intensitätsbeurteilung der Angst erklärbar.
Auswertung & Erkenntnisse zur Basisemotion Ärger
- Die zehn verschiedenen Ausdrücke, die der Basisemotion Ärger zugeordnet worden sind, verfügen über eine gute durchschnittliche Erkennungsquote von 81,25%,
- Insofern Ärger verwechselt worden ist, wurde am häufigsten Verachtung identifiziert, wobei die Prozentzahlen expressionsübergreifend marginal waren,
- Mit zunehmender Anzahl beteiligter Gesichtsmuskeln steigt die Wahrnehmung der Intensität,
- Die Intensität wird insgesamt stärker wahrgenommen, wenn das untere Augenlid angespannt (AU 7) ist,
- Der prototypische und universelle Ausdruck von Ärger (AU’s 4+5+7+24) hat den stärksten Intensitätsfaktor und wird am eindeutigsten unter allen „Ärger-Expressionen“ erkannt (92,59%),
- Die Intensität von Ärger wurde insgesamt schwächer beurteilt, als bei anderen Basisemotionen.
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Anstoß für zukünftige Forschungen: Dadurch, dass Ärger insgesamt beim Empfänger schwächer wahrgenommen wird, obwohl das Empfinden des Senders stark ist, kann es unter Umständen zu Fehleinschätzungen des Wahrnehmenden kommen. Es scheint, dass anhand mimischer Expressionen schlechter registriert wird, wann „das Fass zum Überlaufen gebracht worden“ ist und damit – im schlechtesten Fall – die Kontrolle des Senders über den erlebten Ärger einer impulsartigen Entladung weicht. Allerdings könnte es sich hierbei auch um einen induktiven Schluss (vom Einzelfall auf alle Fälle) handeln, da als Vorlage lediglich eine Person diente, die Ärger weniger stark „transportieren“ könnte. Eine vergleichende Studie mehrerer Personen, im Bezug auf unterschiedlichen/r Alter, Herkunft und Geschlecht, zur Thematik Ärger wäre zur Validierung oder Falsifizierung der o.g. Annahme gewinnbringend.
Auswertung & Erkenntnisse zur Basisemotion Freude
- Die sechs verschiedenen Ausdrücke, die der Basisemotion Freude zugeordnet worden sind, verfügen über eine gute durchschnittliche Erkennungsquote von 87,96%,
- Insofern Freude verwechselt worden ist, wurde am häufigsten Verachtung identifiziert, wobei die Prozentzahlen expressionsübergreifend marginal waren,
- Freude verfügt über die stärkste Intensitätsbandbreite der sieben Basisemotionen, d.h., dass subtile Ausdrücke schwach und intensive Kontraktionen der verantwortlichen Gesichtsmuskeln sehr stark in der Wahrnehmung unterschieden werden,
- Wird lediglich der äußere Augenringmuskel angespannt (AU 6), dann wird eher Verachtung als Freude wahrgenommen,
- Der prototypische und universelle Ausdruck hat, bei maximaler Kontraktion der Gesichtsmuskulatur (AU 6E+12E), den stärksten Intensitätsfaktor und wird eindeutig erkannt (100%),
- Anstoß für zukünftige Forschungen: Je subtiler die Intensität des Emotionsausdruckes der Freude ist, desto eher wird Verachtung hineininterpretiert. Womöglich sind kleine Ausdrücke der Freude erfahrungsgemäß auch ein Zeichen von leichter Verachtung. Semantisch betrachtet trifft in diesem Fall Missbilligung oder ein Gefühl der Überlegenheit eher zu. Dadurch besteht allerdings auch die Gefahr, dass beispielsweise die subtile Freude des Senders über ein Verhalten als „arrogantes Belächeln“ durch den Empfänger fehlgedeutet werden könnte. Die mimische Botschaft würde zerrissen werden und könnte bei fehlender Klärung der Missinterpretation womöglich zu Konflikten führen.